Das weiße Gold der Kelten
Wenn am 10. März 2022 die große Ausstellung in der Keltenwelt am Glauberg startet, werden sich unter über 400 Exponaten auch drei riesige Keramikgefäße und etliche Siedegefäße aus Bad Nauheim befinden, die in keltischer Zeit bei der Salzproduktion eine wichtige Rolle spielten. Das größte der Gefäße ist fast einen Meter hoch.
Wer heute Bad Nauheim besucht, dem wird mit Blick auf die großen Gradierwerke und dem Keltenpavillon mit seiner Ausstellung schnell klar, wie eng die Geschichte Bad Nauheims mit dem Salz, dem weißen Gold, verbunden ist. Die Kelten gewannen das kostbare Gut zwischen dem 3. und 1. Jahrhundert vor Christus aus mineralhaltiger Quellsole und errichteten dafür eine Saline, die aus heutiger Sicht als einer der wichtigsten Innovationen der damaligen Zeit gilt. Erste Hinweise auf den keltischen Salzabbau fand man bereits im Jahr 1837, doch erst hundert Jahre später begann man mit systematischen Ausgrabungen und Forschungen. Doch die ganze Dimension der Salzgewinnung wurde ab den 1990er-Jahren deutlich, als in der Kurstraße 2 ein Neubau errichtet wurde und Archäologinnen und Archäologen eine Fläche von über 4000 m² untersuchen konnten. Und was sie fanden, ließ die Fachwelt erstaunen: Die über 2.000 Jahre alte Salinenanlage war völlig ungestört im Boden erhalten geblieben und man konnte wie in einer Zeitmaschine in die Vergangenheit reisen.
Beeindruckend auch die Dimension der Fundstätte, da sich die Saline mehr als einen Kilometer entlang der Usa erstreckte und faszinierende Einblicke in die Lebenswelt der Kelten gewährt. Doch warum begehrten die Kelten das Salz so sehr, dass sie dafür erheblichen Arbeitsaufwand betrieben und eine gewaltige Saline errichteten? Für Vera Rupp, Direktorin der Keltenwelt am Glauberg, liegt die Antwort in der Bedeutung, die das Salz für die Menschen seit Jahrtausenden innehat. „In diesen Zeiten waren die Aufbewahrung und Konservierung von Nahrungsmitteln für das Überleben einer Gemeinschaft entscheidend, da man stets von Missernten und Hungersnöten bedroht war“, erklärt Rupp. „Menschen haben früh entdeckt, dass Salz Speisen nicht nur würzt, sondern auch bei richtiger Anwendung über lange Zeiten haltbar macht, etwa Fleisch. So konnte man für Notzeiten nicht verderbliche Vorräte anlegen und gepökeltes Fleisch war wohl zudem ein einträgliches Handelsgut.“
Wie begehrt das Salz war, zeigt sich auch an dem Aufwand es zu gewinnen. In Bad Nauheim konnte man die Produktionsprozesse anhand der Funde gut rekonstruieren, da sich Holz und andere organische Materialien wie Pflanzen in dem bodenfeuchten Milieu hervorragend erhalten haben – ein weiterer Glücksfall für die Forschung. Mineralhaltiges Wasser, die sogenannte Sole mit etwa 2 bis 4 Prozent Salzgehalt, wurde am Quellaustritt in einem großen Solebecken aus massiven Eichenbohlen aufgefangen. Von dort leitete man die Sole über Kanäle in große Becken, wo das Wasser unter Sonneneinstrahlung verdunstete und den Salzgehalt erhöhte.
Über Zuleitungen gelangte die angereicherte Sole weiter zu den Siedeanlagen, große, längliche Öfen, die aus Lehm gebaut waren. Hier lagerte man sie in kleinen Holzkästen oder riesigen Keramikgefäßen. Die keltischen Salinenarbeiter füllten die Sole nach und nach in Siedegefäße, sogenannte Briquetagen, die in den Öfen standen. Ein kräftiges Feuer erhitzte die Sole, das Wasser verdampfte und zurück blieb ein Salzblock. In einem letzten Arbeitsschritt wurden die Gefäße zerschlagen und die Salzbrocken entnommen.
Für Vera Rupp zeugt die Saline in Bad Nauheim von der zentralen Rolle, die die Wetterau und ihre Salzquellen für die Kelten hatte. „Einerseits nutzte man die fruchtbaren Böden der Wetterau für die Landwirtschaft, andererseits konnte man hier auch das Salz gewinnen, um Lebensmittel zu konservieren. Und da das Salz überall begehrt war, hatte man auch ein wertvolles Handelsgut, das man gegen andere Güter eintauschen konnte“, so Rupp. „Die Funde aus der Bad Nauheimer Keltensaline sind so spektakulär, dass wir die unbedingt eine Auswahl davon zeigen wollen.“