Zu den Ockstädter Kirschen
Wenn eine Stadt oder eine Region eine besondere Spezialität zu bieten hat, dann trägt sie diesen Namen weiter und macht ihn über die Grenzen des engeren Umfeldes bekannt. Der „Dresdner Christstollen“ ist so ein Beispiel oder das „Lübecker Marzipan“.
Der Friedberger Stadtteil Ockstadt ist für seine Kirschen weit über die Grenzen der Region bekannt. Das liegt sicherlich auch an den 42.000 Kirschbäumen, die sich rund 500 Eigentümer teilen, die meisten freilich besitzen nur wenige Bäume Den klassischen Obstanbau im Nebenerwerb betreiben noch rund 50 Ockstädter Kirschenbauer.
Die Professionalisierung des Süßkirschenanbaus in Ockstadt ist eng mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verbunden. Mit der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Großbritannien war die Baumwolllieferung zusammengebrochen. Damit war ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Wetterau, nämlich die Verarbeitung der Baumwolle verlorengegangen und man musste sich neue Erwerbsquellen erschließen.
Bis in die 60er Jahre hinein wurden vor allem hochstämmige Kirschbäume gepflanzt. Diese bis zu zehn Meter hohen Bäume waren zwar schwer zu ernten, aber man konnte mit Fuhrwerken unter den Bäumen hindurch fahren und so jeden Quadratmeter Erde bewirtschaften.
„Heute hat man sich auf mittelstämmige oder gar niedrigstämmige Obstbäume spezialisiert mit der Folge“, so Werner Margraf, 2. Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Ockstadt, „dass die Chirurgie im Friedberger Krankenhaus in der Erntezeit weniger zu tun hat.“
Doch nicht nur die Höhe der Bäume hat sich verändert, auch Geschmack und Größe unterliegen dem Zeitgeschmack. War früher die Hedelfinger das Nonplusultra für den Kirschenkenner, so zeigt sich diese heute als nahezu unverkäuflich. Die Kordia und die Early Korvic haben ihr den Rang abgelaufen. Hinzu kommen Sorten wie Schneiders, Naprumi, Burlad oder Regina.
Die Ockstädter Kirschenbauer haben mehrere Sorten im Angebot, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst lange das frische Angebot aus Ockstadt nutzen können. Der Markt verlangt heute Kirschen mit einem Durchmesser von mindestens 26, besser mit 30 Millimetern.
Kirschen sind gesund
Kirschen sind ein sehr gesundes Obst. Sie schmecken nicht nur hervorragend, und aus Ockstadt sind sie immer frisch auf dem Tisch, Kirschen senken den Harnsäurespiegel im Blut, stärken Knochen und Nerven, straffen das Bindegewebe, entgiften den Organismus und entfernen freie Radikale. „Eine Kur mit Kirschen“, so werben die Ockstädter Kirschenbauern, „belebt Körper und Geist, verjüngt und erfrischt und macht fit für den Sommer.“
Unsere Wanderung beginnen wir am Sportplatz gleich hinter dem Bürgerhaus. Über die Wiesenstraße kommen wir zur Friedberger Straße, der wir für wenige Meter nach rechts folgen. Wir biegen links in die Ober-Wöllstädter-Straße ein und passieren hier zwei Obstbrennereien; hier wird nicht nur aus Ockstädter Kirschen edler Schnaps gebrannt. Auf der rechten Seite sehen wir schon die ersten Kirschenplantagen; hier wachsen die besonders frühen Kirschen (1).
Die erste Wegekreuzung im Feld gehen wir nach rechts und laufen jetzt durch ein wahres Kirschenparadies (2). Der Schöngeist wird die Wanderung im Frühjahr lieben, wenn hier alles blüht. Der Gourmet wird eher im Juni, Juli oder August wandern, wenn allenthalben die Kirschen verkauft werden.
Aber Vorsicht: Keine Selbstbedienung! Die Ockstädter Kirschenbauern leiden sehr unter dem Diebstahl ihrer roten Früchtchen. Dabei geht es nicht um die Handvoll Kirschen die bei der Wanderung stibitzt wird. Manche „Mundräuber“ transportieren die Kirschen in Körben, Kisten und Anhängern fort. „Dabei werden Zäune und Netze durchschnitten, ohne Rücksicht auf das Eigentum anderer. Der wirtschaftliche Schaden“, so Werner Markgraf, 2. Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins, „ist immens.“
Wir überqueren bei unserer Wanderung die Landesstraße und gehen auf der wenig befahrenen Straße direkt auf den Golfplatz zu. Hinter dem Abschlagplatz, der „Driving Range“ wenden wir uns nach rechts (3) und wandern jetzt auf dem bequemen Asphaltweg, rechts von uns die Golfplatzanlage.
Wir sind hier an der höchsten Stelle unserer Wanderung und haben jetzt die einzigartige Gelegenheit, gleich vier Mittelgebirge in den Blick zu nehmen:
- Hinter uns erhebt sich der Taunus, ein uraltes Gebirge, das vor 450 Millionen Jahren entstanden ist,
- vor uns, halblinks, der Vogelsberg, ein relativ junges Gebirge, vor 18 bis 20 Millionen Jahren entstanden,
- halbrechts der Spessart und
- weiter rechts, noch hinter der Skyline von Frankfurt, der Odenwald. An guten Tagen kann man den Melibokus als höchste Erhebung deutlich erkennen.
Wir treffen schließlich auf die Usinger Straße, der wir nach rechts folgen (4). Nach knapp 300 Metern wenden wir uns nach links und gehen einen Feldweg leicht bergan in den Ockstädter Kirschenberg (5).
Hier kann man noch die Folgen der Realteilung sehen, also eine Erbteilung, die die genaue Aufteilung der Grundstücke unter die Erben vorsah. Die Grundstücke wurden in der Folge immer kleiner und waren schließlich nicht mehr zu bewirtschaften. Weil sich das nicht lohnt, unterbleibt häufig die Pflege von Obstbäumen auf solch kleinen Grundstücken.
Wir kommen auf unserer Wanderung zu einem Feldkreuz (6), das die Ockstädter Kirschenbauern dort aufstellen ließen:
„Vor Blitz und Ungewitter bewahre uns, o Herr“.
Wir gehen hier geradeaus weiter bis zum Ende des befestigten Weges. Dort wo er in einen unbefestigten Weg übergeht, rechts bergab zur Hollarkapelle (7). Die Kapelle erinnert an das Dorf Hollar, das nach dem Dreißigjährigen Krieg aufgegeben wurde. Freiherr Friedrich Gottfried von Franckenstein, Lehensträger von Ockstadt, war maßgeblich daran beteiligt, dass im frühen 18. Jahrhundert auf den Grundmauern der Kirche die heutige Kapelle als Andachtsstätte errichtet wurde.
An der nächsten Wegekreuzung wenden wir uns nach rechts (8), jetzt haben wir nur noch einen knappen Kilometer Wanderweg vor uns. Wir sehen noch eine ganze Reihe niedrigstämmiger Obstbäume. Manfred Ewald, engagierter Vogelschützer, hat hier unlängst 75 Brutkästen aufgehängt. Mehr als 200 sind es im gesamten Kirschenanbaugebiet. Die Vielfalt der Vögel ist außerordentlich groß: neben dem Gartenrotschwanz und dem Wendehals sieht man hier den Neuntöter, den Grünspecht, den Steinkauz und natürlich Kulturfolger wie Amsel, Star und Spatz und sämtliche Rabenvögel.
Auf unserem Wanderweg passieren wir die eindrucksvolle Ockstädter St. Jakobuskirche. Die neubarocke Pfarrkirche wurde 1909/1910 in nur 15 Monaten zum Teil in Eigenleistung der Ockstädter Bürger anstelle der Vorgängerkirche gebaut, die die Zahl der Gläubigen nicht mehr aufnehmen konnte.
Länge | 6 Kilometer |
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Höhenmeter | keine |
reine Gehzeit | anderthalb Stunden |
Startpunkt | Sportplatz an der Wiesenstraße |
Anfahrt | über die B 3a |
ÖPNV | Die Buslinie FB 02 und die Buslinie FB 08 von Friedberg und Bad Nauheim fahren nach Ockstadt. |