Salomonischer Tempel und bäuerlicher Barock

Rund um Gambach

Unsere heutige Wanderung führt uns nach Münzenberg, das Städtchen im Norden der Wetterau, das ganz im Zeichen der Stauferburg steht, die im Volksmund liebevoll „Wetterauer Tintenfass“ genannt wird. Drei Kirchen erwandern wir heute in den Münzenberger Stadtteilen Gambach, Ober-Hörgern und in Münzenberg selbst.

Wir beginnen unsere Wanderung am Bürgerhaus im Münzenberger Stadtteil Gambach(Am Bürgerplatz). Wir laufen die Kirchgasse in Richtung Hauptstraße und stehen vor einer mächtigen evangelischen Kirche (1). Ihre Maße orientieren sich an einem bedeutenden Vorbild: Dem Tempel Salomos zu Jerusalem!

Wie das herausgefunden wurde, ist eine spannende Geschichte: Die Pfarrerin von Gambach und Ober-Hörgern, Dr. Ulrike Eichler, hat auf dem Dachboden des Pfarrhauses eine alte Bibel aus dem Jahre 1666 gefunden. Interessant dabei waren die Abbildungen am Ende der Heiligen Schrift, der Stadtplan von Jerusalem und ein Plan des Salomonischen Tempels. „So abgegriffen wie das aussah in der sonst so gut erhaltenen Bibel machte mich das stutzig. Und beim Nachmessen kam ich auf die Idee, dass  Johann Jakob Heller, bis 1690 Pfarrer zu Gambach und Ober-Hörgern, oder ein Nachfolger die Zeichnungen vom Salomonischen Tempel aus der Bibel für die Planungen der neuen Kirche zu Gambach benutzt haben könnte.“ Im ersten Buch der Könige, Kapitel sechs, Vers zwei heißt es: „Das Haus aber, dass der König Salomo dem Herrn baute, war sechzig Ellen lang, zwanzig Ellen breit und dreißig Ellen hoch.“

Der Kirchenbau in Gambach hat vom Eingang bis zum Altarraum eine Länge von 40 Ellen = 20 Metern und vom Altarraum bis zum äußeren Anbau weitere 20 Ellen = 10 Meter, ganz so wie der Salomonische Tempel. Auch die Höhe, vom Boden bis zum First, entspricht mit 15 Metern oder 30 Ellen genau dem Salomonischen Tempel. Einzig in der Breite ist man von dem Jerusalemer Vorbild abgewichen. Man hat die Kirche breiter gebaut und kam damit dem Ideal des goldenen Schnitts näher.

Erst ein Nachfolger von Pfarrer Heller, Capsius mit Namen, konnte dann zusammen mit dem Grafen zu Solms-Braunfels die Kirche konkret planen. Den Kirchenbau selbst beaufsichtigte Pfarrer Werthmüller, der aus der Schweiz in die Wetterau gekommen war. Von dort kamen dann auch Spenden, um die für diese Zeit reichlich überdimensionierte Kirche zu errichten. Der Sakralbau bietet für ca. 700 Menschen Platz, Gambach hatte aber Ende des 17. Jahrhunderts, nach den Schrecken und Nöten des Dreißigjährigen Krieges, gerade einmal 563 Einwohner, vom Baby bis zum Greis. Offenbar war nach den schlimmen Jahren des Krieges die Hoffnung auf bessere Zeiten im neuen Jahrhundert eingekehrt, und man plante gleich großzügig.

Fünf Jahre dauerte der Kirchenbau, maßgeblich unterstützt mit Geldern aus der Heimat von Pfarrer Werthmüller, aber auch von benachbarten reformierten Gemeinden. Die Kirche selbst ist im so genannten Bauernbarock gehalten; florale Elemente überwiegen, Menschen werden gar nicht gezeigt, nur vier Putten, die aus Taufbecken steigen, zieren die bunte Decke.

Nach ausführlicher Besichtigung der Kirche passieren wir noch das Alte Rathaus mit der Gambacher Elle und biegen dann rechts in die Hintergasse ein. Über die Schillerstraße und die Schulstraße stoßen wir schließlich auf die Ober-Hörgerner-Straße, der wir dorfauswärts folgen.

Vorbei am Trinkwasserbrunnen der Stadt laufen wir rund 500 Meter und sind schon im Ortsteil Ober-Hörgern. War Gambach ein eher armer Ortsteil, so weisen die großen Hofreiten in Ober-Hörgern den Reichtum des Dorfes aus. Am Dorfteich gehen wir nach rechts und an der Bundesstraße nach links. Nach wenigen Metern erreichen wir die Ober-Hörgerner Kirche, die in ihrem jetzigen barocken Zustand aus dem Jahre 1729 stammt (2). „In diesem Jahr wurde die mittelalterliche Vorgängerkirche barock umgebaut“, vermutet Pfarrerin Dr. Eichler, die sich die Erforschung der besonderen Geschichte dieser Kirche zur Aufgabe gemacht hat. Das Gestühl und die Kanzel der Kirche stammen aus der barocken Umbauzeit. Die Orgel datiert auf das Jahr 1839 und gilt als die am besten erhaltene Orgel von Meister Bernhard aus Romrod.

Wir gehen wenige Meter entlang der Bundesstraße zurück und biegen an der Dorflinde nach links in die Brunnenstraße, mit der wir Ober-Hörgern über die Bahnlinie auch verlassen. Wir stoßen jetzt auf die Wetter, den namensgebenden Fluss für die ganze Region. Links von uns die Alte Mühle, eine Bruchsteinbrücke überbrückt den Fluss (3). Ähnliche Brücken gibt es auch in Gambach und Griedel. Denkmalschützer gehen davon aus, dass alle drei Brücken im 17. oder 18. Jahrhundert entstanden sind.

Jetzt bleiben wir immer auf unserem Weg in Richtung Münzenberg, die mächtige Burg weist uns den Weg. Rechts und links wandern wir durch saftige Wiesen und Äcker, ein fruchtbares Land. Wir stoßen schließlich auf die Landesstraße, die Münzenberg mit Rockenberg verbindet, und wenden uns nach links (4).

So kommen wir zwangsläufig zur dritten Kirche unserer heutigen Wanderung, der evangelischen Kirche von Münzenberg (5). Das Gebäude hat eine lange Baugeschichte, die bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhundert zurückreicht. Ein wesentliches Charakteristikum der Kirche ist der gedrehte Kirchturm, ein kurioses Bauwerk, das nicht etwa absichtlich, sondern als Folge feuchten Holzes und des Wetters entstanden ist.

Von der Kirche gehen wir weiter bergan und am historischen Rathaus nach links. Wer jetzt noch einmal die herrliche Stauferburg besichtigen möchte, hat dazu Gelegenheit, indem er nach rechts der Wegweisung folgt. Die Münzenburg entstand in der Mitte des 12. Jahrhunderts als Stammburg derer von Münzenberg. In den folgenden Jahrhunderten wechselten die Besitzer der Burg. Wenn das Geld ausging, wurden Baumaßnahmen eingestellt, um Jahre oder Jahrzehnte später wieder aufgenommen zu werden.

Die wehrhafte Festung konnte allerdings den neuen Waffen des Dreißigjährigen Krieges nicht standhalten. 1628 ließ Wallenstein die Burg beschießen. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war nicht mehr als eine Ruine übrig; die Burg verfiel. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts, eine Zeit, in der man dem Mittelalter romantische Gefühle entgegenbrachte, begann die Restaurierung einzelner Burgteile und die Sicherung des Mauerwerks. Die Burg ist heute ganzjährig für Besucher geöffnet (montags Ruhetag). Im Sommer nutzt der Freundeskreis Burg und Stadt Münzenberg das „Wetterauer Tintenfass“ für Theateraufführungen auf der Freilichtbühne der Kernburg.

Weitere Informationen beim Öffnet externen Link in neuem FensterFreundeskreis Münzenberg im Internet unter: . Hier kann man auch an einer der besonderen Abendführungen teilnehmen. Wenn unten das Leben tobt genießt man hoch über der Stadt und der nahe gelegenen Autobahn die herrliche Ruhe.

Vom Rathaus aus wandern wir über Marktplatz und Steinweg direkt zur Falkensteiner Straße, der wir für wenige Meter nach links folgen, um dann dem Schild „Sportplatz“ zu folgen (6). Vorbei am Sportplatz und an vier hölzernen Pyramiden, die zum Geologischen Garten Münzenberg (7) gehören (telefonische Anmeldung unter 06004/3072 oder 06036/5750), folgen wir dem bequemen asphaltierten Weg und bekommen bald wieder Gambach in den Blick.

Über die Wetterbrücke (8) und die Gleise überqueren wir die Bundesstraße und gehen am zweiten Kreisverkehr nach links in die Schulstraße, vorbei an der Johanniterschule sehen wir schon das Bürgerhaus und unseren Startplatz.

Länge

10 Kilometer

Höhenmeter

110

reine Gehzeit

gut zweieinhalb Stunden

Streckenqualität

Asphalt- und Feldwege, wenig Schatten

ÖPNV

Buslinie 200 vom Bahnhof Butzbach am Samstag  zwei Stundentakt, sonntags kein Busverkehr