Universalmuseum hinter Fachwerkfassade
Das Heimatmuseum in Nidda ist ein Universalmuseum mit einer ganzen Reihe von Themen mit einigen Schwerpunkten. Das Museum ist überraschend groß und bietet auf rund 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche Raum für Industrie- und Heimatgeschichte sowie für Sonderausstellungen.
Gleich am Eingang erwartet die Besucher der Blick in eine Gaststätte aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Einfache Holzstühle, eine filigrane Zapfanlage und ein Eisschrank, in dem tatsächlich mit echten Eisstangen gekühlt wurde. Man kann sich richtig vorstellen, wie an dem groben Tisch einst gegessen und getrunken, Karten gedroschen und gefeiert wurde. Dass ist ja auch ein Sinn solcher Museen: Besucherinnen und Besuchern das Erlebnis zu vermitteln wie einst gelebt und gearbeitet wurde.
Cloos’sche Akzidenzdruckerei und Intelligenzblatt
Im Mittelpunkt des Erdgeschosses stehen freilich die Geräte der alten „Cloos’schen Akzidenzdruckerei“, die Museumsmacher selbst als Höhepunkt der umfangreichen handwerklichen Präsentation des Museums bezeichnen. „Eine solch fast komplette Druckerei findet man sonst weit und breit in keinem Museum in unserer Region“, sagt Reinhard Pfnorr. Reinhard Pfnorr ist der Vorsitzende des Geschichtsvereins, der auch das Museum ehrenamtlich mit Unterstützung der Stadt betreibt.
In dem großen Saal mit mehreren Maschinen erfahren die Besucherinnen und Besucher viel über die Geschichte des Druckwesens und können sich in eine Zeit versetzen, als Schriftsetzer in mühevoller Arbeit einzelne Buchstaben aus den Setzkästen holten, um daraus Worte und Sätze zu formen.
Die kleine Druckerei hat einen wichtigen Anteil an der Entwicklung der ehemaligen Kreisstadt. Hier wurden Plakate gedruckt, heimatkundliche Schriften und vor allem das erste „Kreisblatt“, die lokale Zeitung, die nach Verschmelzung der Landkreise Nidda, Büdingen und Schotten zum Regierungsbezirk Nidda fortan „Intelligenzblatt“ hieß. Dabei richtete sich das Blatt durchaus nicht nur an intelligente Menschen, der Name leitet sich aus dem Englischen ab und bedeutet nicht mehr als Nachrichten. Gefüllt wurde das Intelligenzblatt mit amtlichen Bekanntmachungen und Anordnungen, von denen es eine ganze Reihe gab, aber auch Geschäftsanzeigen. Mit erbaulichen und belehrenden Artikeln ergänzten meist Pfarrer und Lehrer das Blatt, das zunächst nur einmal die Woche erschien.
Zu einer Zeitung gehören heute auch Bilder. Dazu gibt es eine Auswahl von Arbeiten Niddaer Fotografen des 19. und 20. Jahrhunderts, die sieht man aber erst gegen Ende der Ausstellung im zweiten Obergeschoss.
1200 Jahre Nidda
Vorher kann man tief in die Geschichte der Stadt Nidda eintauchen. In diesem Jahr wird der 1200. Jahrestag der urkundlichen Ersterwähnung der heutigen Stadt gefeiert. Dazu gibt es eine ausführliche Sonderausstellung mit 32 Texttafeln und mehreren Vitrinen. Unter anderem ist darin auch ein Brief von Johannes Pistorius d. Älteren mit Originalunterschrift ausgestellt. Der große Sohn der Stadt Nidda war maßgeblich beteiligt an der „Confessio Augustana“ von 1530. Das auch als Augsburger Bekenntnis bekannte Werk gehört noch heute zu den verbindlichen Bekenntnisschriften der Lutherischen Kirche. Außerdem zu sehen sind etliche Erstdrucke aus der Bibliothek von Johannes Pistorius d. Jüngeren, darunter vor allem die zwei Bände der „Anatomia Lutheri“, der berühmten Streitschrift des späteren Rekonvertiten gegen Luther.
Die Egerlandstube wurde mit der Errichtung des Museums Anfang der 80er Jahre in Erinnerung an die rund 400 Heimatvertriebenen aus dem Egerland, die in Nidda eine neue Heimat gefunden haben, eingerichtet.
Auf dem Weg in den zweiten Stock passiert man eine Kirchturmuhr, die man ganz ohne Kirchturm in ihren filigranen Einzelheiten sieht. Das Uhrwerk stammt aus der Kirche in Stornfels, das Ziffernblatt von der Kirche in Langen-Bergheim.
Geschichte des Handwerks
Der zweite Stock widmet sich der Vielfalt des Handwerks vergangener Zeiten. Viele der Berufe, die einst das Auskommen der Familie sicherten, gehören der Vergangenheit an. So etwa die „Kummet-Herstellung“, auf die sich die Bauern der Region in der Winterzeit spezialisiert hatten. Das Kummet ist ein Teil des Brustgeschirrs, das den Tieren um den Hals gelegt wird, um die Zugkraft des Tieres sinnvoll auf Brustkorb, Schultern und Widerrist zu verteilen. Ein solches Brustgeschirr wird nur noch selten gebraucht, Maschinen übernehmen die Arbeit.
Auch die Werkstätten für Schuster, Schlosser und Schmied und den Polsterer gehören einem anderen Jahrhundert an, geben aber Einblicke in die schwere Arbeit, die unsere Vorfahren ohne Maschineneinsatz leisten mussten. Gleichwohl ist aber der Ideenreichtum beeindruckend, mit dem man versucht hat, auch ohne elektrische Maschinen die Arbeiten zu erleichtern, etwa die Bohrmaschine mit Fliehkraftunterstützung.
Beeindruckend ist auch das Modell der „Wasser- und Stangenkunst“, mit dem die Pumpen zur Förderung der Sole zur Salzgewinnung in Bad Salzhausen aus weit entfernten Kraftquellen gespeist wurden.
Ein wichtiger Teil der Niddaer Industriegeschichte ist der „Möbelmanufaktur Ringshausen“ gewidmet, die höchst erfolgreich in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg edle Möbel und Inneneinrichtungen schuf und sich ab den 20er Jahren auf die Produktion von Gehäusen für Radio- und Phono-Anlagen spezialisierte. Es gab kaum einen großen deutschen Anbieter, der nicht die Gehäuse aus der Niddaer Produktion im Angebot hatte.
Das Museum in Nidda wurde 1983 von kulturbeflissenen Bürgern gegründet. Reinhard Pfnorr, damals Geschichtslehrer am Gymnasium, war mit eine treibende Kraft und ist seit Gründung des Museums auch Vorsitzender des Geschichtsvereins. Heute sorgen 20 bis 25 Aktivisten für die Aufrechterhaltung des Museumsbetriebes.
Was man unbedingt gesehen haben muss
- Neben den Gerätschaften der Cloos’chen Akzidenzdruckerei die Handwerker-Werkstätten im zweiten Obergeschoss.
- Im Keller ist eine der wenigen erhaltenen Doppelgrabplatten aus dem 12. Jahrhundert, vermutlich der Grafen von Nidda, zu sehen.
Was man sonst noch machen kann
Nach dem Besuch des Museums ist ein Gang durch die Altstadt Nidda spannend.
Wer es gemütlich und mit etwas Wellness ausklingen lassen möchte, fährt in den Stadtteil Bad Salzhausen, wandert durch den Kurpark und lässt es sich abschließend in der „Justus-von-Liebig-Therme“ gut gehen.
Das kulinarische Angebot in Nidda ist breit, in der „Traube“ am Marktplatz wird eigenes Bier gebraut.