Landwirtschaftsmuseum im Degenfeld’schen Schloss

Die Wetterau ist seit 7.000 Jahren Siedlungsraum. Bereits seit der Frühzeit ist sie für ihren überaus fruchtbaren Boden, den Löß, bekannt. Diesen wussten bereits die Römer zu schätzen und bezogen sehr aufwändig die Wetterau in ihr Weltreich ein. Später lebten ganze Städte und Dörfer von der Landwirtschaft, darunter auch das heutige Groß-Karben.

Im vor Kurzem teilsanierten alten Degenfeld’schen Schloss im Stadtteil Groß-Karben ist das Landwirtschafts- und Heimatmuseum der Stadt Karben ansässig und hat sich zur Aufgabe gemacht, das landwirtschaftliche Erbe des einst ländlichen Karbens zu bewahren und für Besucherinnen und Besucher zugänglich zu machen.

Das Ergebnis ist wirklich erstaunlich: Eine einzigartige Sammlung alter landwirtschaftlicher Geräte findet sich in einer separaten landwirtschaftlichen Halle des Schlosses. „Auf den Umfang sind wir besonders stolz, denn tatsächlich haben wir für alle angebauten Getreide, Kartoffeln, Rüben und andere landwirtschaftlichen Erzeugnisse die passenden Geräte hier“, erklärt Jürgen Hintz, Erster Vorsitzender des Karbener Geschichtsvereins und als Karbener Stadtrat gleichzeitig zuständig für das Museum.

Roter Porsche als Glanzstück

„Besonders schön ist das Exemplar, eines der letzten von Porsche hergestellten Traktoren. Danach wurde die Produktion verkauft“, sagt der Vorsitzende und zeigt auf ein rotblitzendes Modell. „Traktoren gab es hier schon vor dem Zweiten Weltkrieg, aber sie waren noch nicht so sehr verbreitet. „Vorherrschend war damals der Lanz Bulldog, der erst vorgeglüht und dann durch Kurbeln des Lenkrads, das hierzu auf eine Schwungscheibe gesetzt wurde, zum Laufen gebracht wurde“, stellt Hintz fest und weist auf eine alte dunkelgraue Zugmaschine.

So richtig los ging es mit der Mechanisierung der Landwirtschaft erst nach dem Krieg. Erst dann konnte der Traktor die über Jahrhunderte vorherrschenden Zugmittel, das Pferd und den Ochsen, ablösen. Mit der Zeit wurden die Geräte immer komplexer und ausgeklügelter. Kleinere Höfe konnten sich bald die immer teurer werdenden Maschinen nicht mehr leisten und verkauften oder verpachteten ihr Land. So kam es zum Wandel in den dörflichen Gesellschaften, wie es hier am Beispiel von Karben sehr anschaulich gemacht wird.

Reise in vergangene Zeiten

Der Besuch im Heimat- und Landwirtschaftsmuseum in Karben ist eine Reise in vergangene Zeiten. „Ein Großteil der Exponate wurde ursprünglich noch von Pferden gezogen und zum Teil später für die Traktoren angepasst. So manche Werkzeuge wurden über längere Zeit immer wieder benutzt und gelangten erst spät in unseren Besitz“, erklärt Zweiter Vorsitzender und Leiter der Inventarisierung Rainer Obermüller. „Manche Gerätschaften kennen die Älteren noch aus ihrer Kindheit, bei manchen kann man sich auch nicht mehr vorstellen, wie sie benutzt wurden.“

Doch das Museum bietet nicht nur landwirtschaftliche Geräte, sondern auch andere Exponate, die in der Wetterau im 18., 19. und im 20. Jahrhundert benutzt wurden. So zum Beispiel ein rundes Behältnis aus Holzplanken, zusammengehalten aus Stahlringen, innen vier paddelähnliche Holzstücke an einer Aufhängung. „Tatsächlich handelt es sich hier um etwas ganz Besonderes“, erklärt Hintz. „Das ist eine der ersten elektrischen Waschmaschinen von Miele vom Beginn des vorigen Jahrhunderts. Sie wurde über einen Treibriemen von einem externen Motor angetrieben. Heute funktioniert die Maschine leider nicht mehr, die Wartung wäre zu aufwändig.“

Direkt nebenan befindet sich eine weitere Besonderheit. „Dieser Kaufladen von 1890 stammt aus Groß-Karben und stand fast genauso bis 1975/76 im Geschäft“, führt Obermüller aus. „In Zeiten ohne Supermärkte war der Kaufladen der Ort, an dem man fast alles bekommen konnte. So etwas gibt es heute gar nicht mehr. Damals wurden alle Waren gemäß der verlangten Menge genau abgewogen. Dafür benutzte der Besitzer eine der zahlreichen Waagen.“ So konnte alles vom Brief bis zum ausgewachsenen Schwein gewogen werden.

Bedingt durch Teilsanierungen in den 1980er/90er Jahren gab es Veränderungen mit teilweiser Neukonzeption. Bedingt durch den Verkauf des Schlosses an eine private Karbener Investorengruppe mussten einige Museumsräume und der größte Teil der als Lager genutzten Räume geräumt und abgegeben werden. „Das hat leider unsere Museumsfläche, vor allem aber die Depotflächen verringert. Deswegen ist zurzeit nur ein Drittel der Ausstellungsstücke zu sehen. Allerdings gibt es dadurch auch immer etwas Neues zu entdecken“, meint Stadtrat Hintz. Das Gebäude des Degenfeld’schen Schlosses war zum Teil baufällig, die Sanierung überfällig. Die anfängliche Kritik mancher Bürger und Mitglieder des Geschichtsvereins an dem Verkauf des Schlosses durch die Stadt und Sanierung durch die neue Eigentümergemeinschaft ist mittlerweile gewichen.

Die Ausstellungsstücke stammen aus der Region. „Als wir das hier übernommen haben, waren die Aufzeichnungen nur lückenhaft über den Ursprung mancher Stücke, deswegen können wir bei diesen leider nur mutmaßen“, erklärt Hintz.

Themenbezogene Vorträge

Seit 2010 betreibt der Geschichtsverein Karben das Museum. Zuvor war es von der Stadt geleitet worden. „Wir machen das hier alles ehrenamtlich. Unser Team setzt sich aus etwa 30 Personen zusammen. Rund die Hälfte von ihnen leistet etwa zwei bis drei Mal im Jahr Aufsichtsdienst. Die anderen sind unterschiedlich bei der Museumspflege, wie Arbeiten der Inventarisation, Instandhaltung oder Programmgestaltung eingebunden“, erklärt Hintz. Mindestens einmal im Monat öffnet das Museum seine Pforten. Dann wird auch zu einem themenbezogenen Vortrag geladen. “Wir hatten schon Imker, Metzger und Schreiner, aber auch Landwirte hier, die von ihrer Arbeit erzählt haben. Mit den alten Werkzeugen konnten sie meist wenig anfangen, trotzdem ist es für die Besucher immer spannend zu hören, wie stark sich die Berufe verändert haben“, so Obermüller.

Besonders gut besucht sind Stadtteilvorträge. Dort werden alte Bilder aus Karbener Stadtteilen gezeigt. „Zu diesen Vorträgen haben wir manchmal mehr als 100 Besucher, dann wird es hier im Museum schon eng“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende. Besonders wünscht man sich mehr jüngere Besucher, und in der Zusammenarbeit mit den Karbener Schulen sei auch noch Luft nach oben.

Was man unbedingt gesehen haben muss

  • Die landwirtschaftliche Halle mit einer reichhaltigen Sammlung an alten Landwirtschaftswerkzeugen.
  • Den alten Klassenraum aus dem 19. Jahrhundert.
  • Den alten Kaufladen aus Groß-Karben.
  • Die Sammlung von altem Spielzeug.