Erinnerungen an eine große Industriekultur
Das Kunstgussmuseum in Hirzenhain am Fuße des Vogelsbergs hat eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich und möglicherweise auch noch vor sich. Hirzenhain kann auf eine lange industrielle Geschichte verweisen.
1678 errichtete Graf Ludwig Christian zu Stollberg-Gedern den ersten Holzkohlehochofen in Hirzenhain. Damals wurden vornehmlich Ofenplatten gegossen. Waren die ersten Güsse noch relativ grob, ermöglichte der technische Fortschritt im 19. Jahrhundert einen filigranen Eisenguss. Insbesondere in und um Berlin waren die Gießereien für ihre hohe Kunstfertigkeit bekannt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg richteten die Eisenwerke Buderus aus Wetzlar am Standort Hirzenhain eine Kunstgussabteilung ein. Der in Berlin geborene Bildhauer Peter Lipp leitete den Kunstguss in Hirzenhain von 1947 bis 1967 und führte die Kunstgießerei zu einer Blüte. Zudem legte er mit seiner Sammlung preußischen Eisengusses sowie dem Bestand der vorhandenen historischen Ofenplatten die Basis für das Kunstgussmuseum Hirzenhain.
500 Jahre alte Ofenplatte
2015 war dann allerdings Schluss mit der Serienproduktion im Kunstguss. Die Gießerei wurde im Mai 2015 durch Bosch Thermotechnik geschlossen. Die Produktionsanlagen sind mittlerweile völlig abgebaut. Der mächtige Industriebau beherrscht freilich noch immer das Ortsbild.
Die Sammlung des Museums ist noch zu sehen. Wie lange noch, hängt davon ab, ob ein tragfähiges Konzept für den Betrieb des Museums für die nächsten Jahre gefunden werden kann. Aktuell sind im Museum rund 1.800 Exponate zu sehen, so etwa die nach Düsseldorf größte Ofenplattensammlung in Deutschland mit rund 350 Schaustücken, das Älteste aus dem Jahre 1503 mit dem Stadtwappen der Stadt Köln. Ebenfalls zu sehen sind sogenannte „Holzmodeln“, geschnitzte Holzformen, die in ein Sandbett gedrückt und dann ausgegossen werden konnten. Gezeigt werden antike, biblische, weltliche oder mythologische Motive.
Gold gab ich für Eisen
An eine spannende Zeit erinnern die kunstvollen Schmuckstücke aus der Zeit der Befreiungskriege 1813 bis 1815. „Gold gab ich für Eisen“, das war der Werbespruch, mit dem wertvolle Preziosen in Eisenschmuck eingetauscht wurden, um den Krieg gegen Napoleon zu finanzieren.
Zu einem regelrechten Verkaufsschlager entwickelten sich in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts die Jahresplaketten von Buderus, die in einer Auflage von bis zu 20.000 Stück gegossen wurden. Platten zu historischen Bauwerken, besonderen politischen oder sportlichen Ereignissen wurden Jahr für Jahr geprägt und fanden bei Sammlern reißenden Absatz. Schließlich sind auch Exponate aus anderen Gießereien zu sehen, so etwa Figurengruppen aus einer russischen Gießerei oder aus der ehemaligen DDR.
Kunstguss mit Botschaft
Kunstguss ist keineswegs eine unpolitische Angelegenheit. Das sieht man nicht nur an manchen Botschaften verschiedener Jahresplaketten, sondern durchaus auch auf den Motiven von Ofenplatten aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wo beispielsweise angedeutet wird, dass der Papst der Erste sei, der nach dem jüngsten Gericht den Weg in die Hölle antritt.