Michaeliskirche Gelnhaar

Da freuen sich Pfarrer und Kirchenvorstände: 42,3 Prozent aller evangelischen Einwohner von Gelnhaar besuchen regelmäßig den Gottesdienst. Damit rangieren sie unter 24 vergleichbaren Gemeinden auf dem 6. Rang und bei der Teilnahme am Abendmahl sogar auf Rang 3. Allerdings beziehen sich diese Angaben auf das Jahr 1908.

Und wir wollen nicht verschweigen, dass bei den„Liebesgaben“ nur noch ein Platz 15 herausspringt, ein Hinweis darauf, dass die Geschichte der Michaeliskirche auch die des knappen Geldes spiegelt. Bevor Gelnhaar eine eigene „gottesdienstliche Stätte“ besaß, gingen die Bewohner des Hanauischen Teiles von Gelnhaar nach Usenborn, die von der Ysenburger Seite nach Wenings.

1700 erwarb die Gemeinde von den Erben des Jägers Hans Adam Beck dessen Haus und baute es zum Kirchen- und Schulhaus um (heute Haus Daubert). Der Oberbau wurde zu einem Kirchensaal umgestaltet, der Unterbau zu Schulstube, Wohnstube und Kammer. Am 11.10.1708 konnte Einweihung gefeiert werden, als Kirchweihtag  ist  der  Sonntag  vor  Michaelis eingetragen. Aber schon in den 20er Jahren wurde über Platzmangel geklagt, denn nun hatten auch die von der Ysenburger Seite keine Lust mehr, den weiten Weg nach Wenings zu gehen.

Deshalb wurde am 24.4.1728 der Grundstein zur lutherischen Michaeliskirche gelegt, im Herbst 1729 galt der Bau als fertig. Baumeister war vermutlich Christian Ludwig Hermann, dessen Stil „eher am  klassizistisch orientierten,  französischen Barock ausgerichtet ist als an üppigen süddeutschen Formen.“ (Wikipedia).

Die Geschichte der Kirche ist auch eine der fortlaufenden Schäden; besonders umfangreich sind sie in einem Gutachten von 1774 dokumentiert. Seit 1719 gibt es die Pfarrei Gelnhaar mit einem eigenen Pfarrer, nämlich Johann Daniel Müller. Er bezog „mit Weib, Kind und Magd“ die winzige Wohnung auf der Schulebene, - da war es praktisch, dass er zugleich der Lehrer war -   in dem Haus, „das bereits beginnet starck zu erschüttern, wann geläutet wird“. Mit der Kircheneinweihung verbesserte sich der Zustand: Jetzt wurde der Kirchensaal zur Pfarrwohnung umgebaut. 1906 begann man mit der Errichtung eines Pfarrhausneubaus, der 1908 bezugsfertig war. Immer wieder wurden in Gelnhaar bei anstehenden Renovierungen Sammlungen durchgeführt, aber man hoffte auch auf Spenden potenter Geldgeber. So klopfte Bürgermeister Groth 1898 u. a. bei den Rothschilds in Frankfurt an; Erfolg hatte er bei der Kaiserin Auguste Viktoria, die 100 Mark spendete.

Zu dieser Zeit mussten auch die Glocken erneuert werden. Sie wurden bei der Fa. G.A. Jauck in Leipzig umgegossen und per Fracht nach Hirzenhain befördert. Laut einer Rechnung der Gastwirtschaft J.A.Beck wurden die Kehlen zum Aufhängen der Glocken mit 9/4 l „guten“ Branntwein und 11 Glas Bier geölt. Das Schicksal der Glocken blieb wechselvoll durch Ablieferungspflicht in den Weltkriegen und Verschleiß. Eine hat die Wirren überlebt, weitere kamen 1950 (h), 1958 (a) und 1961 (Taufglocke) dazu und bilden heute das wohltönende Geläut.

Viele Gelnhärer erinnern sich sicher noch an das frühere Aussehen des Kircheninnenraumes. Hinter dem Altar befand sich die Kanzel mit dem Lutherbild, also da, wo heute der Gekreuzigte hängt. Wie in Bindsachsen führte in den 50er Jahren Pfarrer Behm eine Renovierung durch, die der Kirche ein nüchtern kahles Aussehen gab. Erst durch die aufwändige Umgestaltung unter Pfarrer Markus Christ erhielt die Kirche ihr wohltuendes heutiges Gesicht mit den angenehm warmen Farben. 1993 wurde auch eine neue Orgel angeschafft, die allerdings in den höheren Lagen gereifteren Besuchern wie mir Schwierigkeiten bereitet. Vielleicht könnte da eine nächste Finanzspritze für mehr Wohlbehagen sorgen?  

Zum Namen unserer Michaeliskirche: Der Namensgeber Michael taucht im Alten Testament als Schutzengel Israels auf, im Neuen Testament hauptsächlich als  Sieger über das Böse in Satans- oder Drachengestalt. Als Drachentöter ist er auch ganz filigran neben dem Schwan auf der Kirchturmspitze zu sehen. Er ist der Star unter den Engeln in vielen Kunstwerken und Namensgeber zahlloser Kirchen. Für unsere Dorfkirche passt der Name auch deshalb, weil Michaelis ab dem Mittelalter ein Festtag zum Ernteschluss war und der übliche Termin für Abgaben und Gesindewechsel.