Acht Bänke und der Bach als Grenze

Der Volkswanderclub „Qualmende Socken“ aus Gelnhaar hat vielen anderen Dorfvereinen etwas voraus: Der Verein hat es zum Europameistertitel bei der Europawanderung im Jahr 2014 gebracht. Dazu kommen noch einige deutsche Meistertitel und viele andere Preise bei diversen Wettbewerben.

Bei der heutigen Tour können wir nicht nur durch die hervorragende Ausschilderung vom Engagement der Vereinsmitglieder profitieren, sondern auch davon, dass in regelmäßigen Abständen Ruhebänke aufgestellt wurden. So heißt diese Wanderroute auch der „Acht-Bänke-Weg“.

Vom Bürgerhaus laufen wir auf dem Hammerweg bergan und kreuzen nach wenigen Schritten den Sandra-Minnert-Weg, benannt nach der Nationalspielerin der Weltmeisterschaftsmannschaft im Frauenfußball der Jahre 2003 und 2007, die aus Gelnhaar kommt.

Unser gesamter Rundweg ist mit dem Kürzel „PW“ für „Permanenter Wanderweg“ markiert. Gut 500 Meter nach unserem Start wenden wir uns nach links (1) auf dem Asphaltweg und haben bald einen ungehinderten traumhaften Blick in Richtung Hoherodskopf und Taufstein und die schöne Hügellandschaft des Vogelsberges (2). Am Waldrand biegen wir nach links (3). Vorbei an der Infotafel der örtlichen Vogelschutzgruppe überqueren wir die Kreisstraße nach Usenborn und sehen ein Hinweisschild zum „Rauhen Berg“, einer anthroposophischen Heim- und Werkstätte für behinderte Menschen. Mehr als 80 Menschen mit geistiger Behinderung arbeiten hier in Landwirtschaft, Gärtnerei, Holzwerkstatt und anderen Bereichen. Im angeschlossenen Wohnheim leben 50 Menschen mit Behinderung dauerhaft. Landwirtschaft und Gärtnerei arbeiten nach den biologisch-dynamischen Grundsätzen des Demeter Verbandes.

Wir passieren die Einrichtung und biegen auf Höhe des Haupteingangs nach rechts ins Tal (4) und genießen dabei an der vierten Bank den Blick auf Gelnhaar. An der Landesstraße wandern wir für knapp 200 Meter nach links (5) und gehen dann rechts in Richtung Felder. Im Tal überqueren wir den Bleichenbach und laufen am Hohleberg zum Frankenschlag (6).

Der Flurname erinnert an eine Schlacht im frühen Mittelalter, als die Franken die Thüringer schlugen. Die erste Besiedelung von Gelnhaar geht möglicherweise auf diese Zeit zurück. Nach einem Linksknick überqueren wir auf unserem Höhenweg die Landesstraße nach Bindsachsen. Am dritten Abzweig gehen wir nach links und genießen jetzt rechter Hand das ganze Vogelsbergpanorama. Wir wandern wieder ins Tal und folgen der Wegweisung nach rechts, bevor wir den Bleichenbach und danach abermals eine Landesstraße überqueren (7).

Der nächste leichte Anstieg endet wiederum an einer Bank, diesmal sogar von einem Hochsitz begleitet (8). Hier wenden wir uns nach links, stoßen auf die fünfte Straße, die es zu überqueren gilt. Glücklicherweise sind alle Straßen nur wenig befahren. Nach einer Rechts-Links-Kombination laufen wir noch gut 200 Meter und kommen auf den Wanderweg, den wir vom Hinweg schon kennen. Wir wenden uns nach links (1) und sind nach weiteren 500 Metern zurück am Ausgang.

Gelnhaar geteilt, geplündert und immer wieder aufgebaut

Gelnhaar wurde 1187 erstmalig urkundlich erwähnt. Die Besiedlung fand aber schon 500 Jahre zuvor statt. Bereits im 13. Jahrhundert wurde Gelnhaar nach einem Erbfall geteilt. Die Grenze bildete die „Bleiche“; auch heute noch fließt sie neben der Hauptdurchgangsstraße mitten durch den Ort. Der Dorfteil, der von Usenborn oder Bergheim kommend links vom Bleichenbach liegt, wurde dem Gericht Ortenberg (Hanauische Herrschaft) zugeschlagen, der rechte Teil dem Gericht Floßbach-Wenings (Ysenburger Herrschaft). Die Entwicklung des Ortes wurde durch diese Teilung stark behindert.

Im 15. Jahrhundert wurde Gelnhaar zweimal geplündert. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) war das Dorf völlig entvölkert. Die Häuser waren geplündert, die Menschen erschlagen, an der Pest gestorben oder geflohen. Im 19. Jahrhundert hatte Gelnhaar rund 80 Einwohner, heute sind es mehr als 1.000.

Durch ertragsarme Böden, Fron- und Spanndienste, Abgaben und Steuern und die sogenannte Solmser Landordnung, die im Erbfall des Bauern die Teilung des Landes unter die Erbberechtigten vorschrieb, verminderte sich die Hofgröße immer mehr. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Gelnhaar 20 Bauernhöfe mit weniger als zwei Hektar Fläche.

Die kleinen Höfe und Dürrejahre verursachten im 19. Jahrhundert immer wieder Auswanderungswellen an die Wolga und nach Ungarn, nach Brasilien und in die USA. Viele Menschen aus Gelnhaar fanden Arbeit in den Fabriken an Ruhr und Main. Mit der Verbesserung der Infrastruktur, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sich das Leben in Gelnhaar deutlich verbessert.

Die Teilung des Ortes wurde erst 1874 mit der Auflösung des Landratsbezirks Nidda überwunden. Damit kam auch der ehemals hanauische Teil des Dorfes an den Landratsbezirk Büdingen. 1972 wurde das Dorf im Zuge der Gebietsreform Teil der Stadt Ortenberg und des Wetteraukreises.

Interessant dazu ist auch das Buch von Renate Zyszk „Schiffspassage ohne Rückfahrticket“. Sie hat mit ihrem Buch die Geschichte der Auswanderer aus Gelnhaar nachgezeichnet. Eine Fahrt ins Ungewisse, einen Weg zurück gab es nicht mehr. Es zählte nur „nach vorne zu schauen“. Der gesamte Besitz, vom Häuschen über die Felder bis zum Haushaltsgeschirr, wurde verkauft, um die Schiffspassage zu finanzieren. Mit nur wenig Kapital begann der Neuanfang in Amerika, und harte Arbeit war angesagt, doch das waren die Gelnhaarer gewohnt. Natürlich brauchte man auch eine Portion Glück oder gute Freunde, die beim Neustart halfen. Doch hier lohnte sich die harte Arbeit, trotz Bürgerkrieg und Überfällen, die Gelnhaarer brachten es in Amerika zum Wohlstand, der ihnen in der alten Heimat nicht beschieden war.

Bei der Wanderung um Gelnhaar kann man keine spektakulären Dinge sehen, aber die Schönheit der Natur zu durchwandern, die Sinne schweifen zu lassen und dieses milde Auf und Ab der Landschaft und die Farben der Vegetation auf sich wirken zu lassen, hat etwas von Erholung und Urlaub.

Weglänge

Neun Kilometer. Überwiegend asphaltierte und geschotterte Wege, die auch bei feuchter Witterung gut zu gehen sind.

Reine Gehzeit

Gut zwei Stunden

Parken und Startpunkt

Am Bürgerhaus in Ortenberg-Gelnhaar, Hammerweg.