Bernsteinmuseum Bad Nauheim – Privatmuseum mit hohem Anspruch

Nur wenigen dürfte bislang die Existenz eines ganz besonderen Spezialmuseums in Bad Nauheim bekannt sein. In der Steinfurther Straße 33 haben Brigitte und Helmut Fleissner in ihrem weitläufigen Garten die Schwimmhalle zu einem Museum umgebaut, um dort die Ergebnisse einer jahrzehntelangen Sammelleidenschaft zu präsentieren. Ein Museum, das in der Vielfalt und Menge der Exponate nur vom Deutschen Bernsteinmuseum in Ribnitz-Damgarten übertroffen wird.

Brigitte Fleissner ist Goldschmiedemeisterin und betrieb in der Bad Nauheimer Fußgängerzone ein Schmuckgeschäft. Ihre Sammelleidenschaft galt von Kindesbeinen an den Mineralien. Ihr Ehemann Helmut Fleissner ist Maschinenbauingenieur und sammelte ebenfalls von früh auf. Er hatte sich auf Fossilien spezialisiert. Über das Hobby haben sie sich kennengelernt und sammeln nun seit gut 40 Jahren Bernstein.

„Die wenigsten Exponate habe ich selbst gefunden“, sagt Helmut Fleissner, „dafür sind die Objekte, die wir hier zeigen, viel zu selten.“ Nur einer von tausend Bernsteinen weist Einschlüsse, sogenannte Inklusen auf, das sind in der Regel Insekten. Noch viel seltener sind Inklusen von Pflanzen.

Bernstein kann nur in einem Wald harzproduzierender Bäume gebildet werden. Die bekannteste Fundregion von Bernstein in Europa ist der südöstliche Ostseeraum, das Baltikum, insbesondere die westlich von Königsberg, heute Kaliningrad, liegende Halbinsel Samland. Der Bernstein, der hier gefunden wird, stammt aus einer Zeit, die 35 bis 50 Millionen Jahre zurückliegt. Aus der Dominikanischen Republik kommt ein wegen seiner Klarheit und seiner vielen fossilen Einschlüsse sehr begehrter Bernstein. Seit einigen Jahren kommt auch Bernstein aus Myanmar, dem früheren Birma, auf den Markt.

Der Rundgang im Bernsteinmuseum beginnt mit einer Übersicht über die Evolution, die anschaulich anhand der ebenfalls reichen Fossiliensammlung gezeigt wird. Ein Schnitt durch einen fossilen Fund zeigt die verschiedenen Sedimente, in denen auch die ersten Lebewesen existierten, einfache Einzeller (Cyanobakterien), die vor mehr als zwei Milliarden Jahren erst den Sauerstoff produzierten, der höheres Leben auf der Erde ermöglichte.

Was man unbedingt gesehen haben muss

Besonders sehenswert, besonders für jüngere Besucher, dürften das Saurierei und die Replik eines Saurierembryos im Ei sein. So echt, als könnte es noch zum Leben erweckt werden. „Dass aus den Einschlüssen im Bernstein die DNA gewonnen werden könnte und somit Saurier wieder zum Leben erweckt werden, gehört allerdings in den Bereich der Fiktion“, wie Helmut Fleissner deutlich macht. Auch wenn die Tiere im Bernstein völlig lebensecht aussehen, so sind sie doch nicht mehr als eine Hülle. DNA kann so nicht mehr gewonnen werden.

Zu den spannendsten Fossilien gehören verschiedene Repliken, so etwa die des Urpferdchens aus der Grube Messel bei Darmstadt oder der Archaeopteryx, der Vorläufer unserer Vögel. Von der Grube Messel kommen die Fleissners wieder auf den Bernstein zurück. Die Funde aus Südhessen stammen aus einer Zeit, in der auch der Bernstein gefunden wurde, einer Zeit, in der hier wie im Gebiet der heutigen Ostsee subtropisches bis tropisches Klima herrschte mit der entsprechenden Vegetation.

Auf dem weiteren Weg durch das Museum gelangt man zur Darstellung der Fundstellen von Bernstein weltweit.

In einer Vielzahl von Vitrinen lassen sich dann die Objekte mit Mikroskopen oder auch mit dem bloßen Auge betrachten. Ganz besonders beeindruckend sind die 3D-Bilder, die auf einem großen Fernsehbildschirm präsentiert werden. Mit Hilfe einer geeigneten Brille zeigt sich hier in drei Dimensionen die ganze Schönheit der im Harz gefangenen Lebewesen. Zikaden, Wanzen oder auch eine Stechmücke werden so nicht zu unliebsamen Quälgeistern, sondern zeigen die ganze Schönheit des Lebens.

Faszinierend ist, dass die filigranen Bestandteile von Tieren und Pflanzen so exakt erhalten blieben. „Das lag wohl daran, dass das Harz sehr flüssig war und die Pflanzen und Tiere nach dem Einschluss ihre ursprüngliche Form wieder annehmen konnten. So sind beispielsweise Schnecken zu sehen, deren Schleim im Bernstein noch detailliert zu erkennen ist, Silberfischchen und goldene Schnecken, wunderschöne Tiere, die im Bernstein für die Ewigkeit erhalten sind.“

Die Ausstellung ist gut ausgeschildert und vieles spricht für sich selbst. Es bleibt aber noch genügend Raum für die Gäste des Museums, ihre eigenen Entdeckungen zu machen. Davon gibt es eine ganze Reihe. Man muss sich nur den Borstenschwanz vornehmen, dessen filigrane Haare bis ins letzte Detail im Bernstein erhalten sind.

Ein ganzes Biotop in einem Stein

Zu den Kostbarkeiten des Museums gehört eine Saurierfeder, die in einem Bernstein aus Myanmar erhalten blieb. Das Exemplar ist etwa 100 Millionen Jahre alt. Besonders faszinierend sind Bernsteine, die mehrere Einschlüsse beinhalten. So zeigt das Museum einen faustgroßen Bernstein, in dem wohl eine Katastrophe für einen Termitenbau festgehalten wurde. Vermutlich durch ein Tier wurde der Bau der fleißigen Insekten zerstört. Bevor diese sich an die Reparatur des Bauwerks machen konnten, wurden sie von dem herablaufenden Harz eines Baumes überrascht und für die Ewigkeit eingeschlossen.

Termiten, Käfer, aber auch Pflanzenreste sind so in diesem Bernstein zu betrachten - alles so, als wäre das Unglück erst gestern geschehen. Spannend sind auch die verschiedenen Entwicklungsstadien von Insekten, von kopulierenden Fliegen über eierlegende Käfer, über Larven, Puppen bis hin zur Fliege oder zum Schmetterling.

Mehr als dreitausend Bernsteine haben Brigitte und Helmut Fleissner gesammelt. Zehn Jahre haben sie an dem Umbau der Gartenschwimmhalle gearbeitet. Fast alles wurde in Eigenarbeit erledigt. Für die Holzarbeiten hat sich Helmut Fleissner eine eigene Werkstatt zugelegt. So entstand ein Museum, das auch modernsten Ansprüchen gerecht wird.

Auch die Zukunft des Museums ist gesichert: Tochter Lara, die ihre Ausbildung zur Goldschmiedin beendet hat, wird das Museum dereinst weiterführen.

Was man sonst noch machen kann

Wer sich gut eineinhalb Stunden Zeit für die Besichtigung des Museums genommen hat, bekommt sicher Lust, sich im Freien zu bewegen. Vom Museum zum Großen Teich sind es keine 500 Meter und von dort ist man schnell im Bad Nauheimer Kurpark, in dessen Umfeld man auch etwas für das leibliche Wohl tun kann.